Alles, was Anleger über große Aktienindizes wissen müssen

ETFs erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit, jedoch ist nicht jeder Index ein Investment wert. Reine ETF-Depots können daher ungeahnte Risiken aufweisen. Diesen Einschränkungen und den Vorzügen des aktiven Portfoliomanagements, bei denen ETFs nur eines von zahlreichen Zielinvestments darstellen, widmet sich unsere aktuelle Kolumne.

07. Oktober 2022

4,6 min.

Dr. Andreas Schyra

Foto: PVV AG

Experten raten seit Jahren zu mehr Börseninvestments. Vehikel der Wahl für Kleinanleger sollen dabei passive Fonds sein, die schlicht einen Index nachbilden – den Dax beispielsweise. Doch wie ist ein solcher Index überhaupt aufgebaut? Und worin bestehen die Unterschiede zwischen den Börsenindizes?

Aktienindizes erfreuen sich einer seit vielen Jahren steigenden Beliebtheit und Anerkennung als Basiswerte von Finanzprodukten. Da Indizes an sich nicht handelbar sind, sondern ausschließlich eine Art Barometer oder möglichst repräsentative statistische Maßzahl für eine Volkswirtschaft, Branche oder Region darstellen, wird zur Replikation insbesondere auf Exchange Traded Funds (ETFs) oder Zertifikate zurückgegriffen. Somit ist es obsolet, den Index händisch durch anteiligen Erwerb der einzelnen Mitglieder nachzubilden, was zudem nennenswert höhere Transaktionskosten bewirken würde.

Doch Index ist längst nicht gleich Index, denn die Unterschiede bezüglich Gewichtung sowie Allokation der Indexmitglieder spielen eine große Rolle für einen möglichen Investmenterfolg. Die simpelste Möglichkeit, einen Index zu bilden, ist die Gleichgewichtung. Hier fließen sämtliche Mitglieder mit identischem Anteil in die Berechnung ein. Gewichtungsverschiebungen, aufgrund von Performanceeffekten der Indexmitglieder, werden auf Grundlage der Indexregeln beispielsweise jährlich oder halbjährlich wieder zurückgeführt. Ein praktisches Beispiel eines gleichgewichteten Index ist der DivDaX.

Indizes können nach Kapitalisierung gewichtet sein …

Alternativ werden Indizes häufig kapitalisierungsgewichtet zusammengestellt: Jedes Indexmitglied erhält den Anteil im Verhältnis seiner Marktkapitalisierung zur Summe der Kapitalisierung aller Indexmitglieder. Zur Wahrung der Handelsliquidität wird dabei regelmäßig ausschließlich auf den Free Float bzw. Streubesitz der Aktien zurückgegriffen.
Zahlreiche bekannte Indizes, wie der Dax , der Euro Stoxx 50 oder der MSCI World werden in ihrer bekanntesten Berechnungsform mittels der Free Float Market Cap gewichtet. Durch den Einbezug von Unternehmen mit einer hohen Marktkapitalisierung ergibt sich ein sogenannter Market Cap Bias.

… oder schlicht nach dem Preis einer Aktie

Überdies existiert auch die Variante der Preisgewichtung: Hier wird rechnerisch von jedem Indexunternehmen eine Aktie in der Berechnung berücksichtigt. Beispielsweise folgt der Dow Jones Industrial Average dieser Systematik. Aktien mit einem „hohen“ Kurs weisen daher eine höhere Gewichtung auf, als Aktien mit „geringen“ Kursen. Unter anderem erfolgen aus diesem Grund in den USA relativ häufig Aktiensplits nach deutlichen Kurssteigerungen.
Am 28. August 2022 führte beispielsweise Tesla einen Split im Verhältnis ein zu drei durch, wodurch jeder Aktionär im Nachgang dreimal so viele Aktien im Depot hatte wie zuvor. Der Depotwert der Tesla-Position ist jedoch unverändert geblieben, da sich der Aktienkurs im identischen Verhältnis verringerte. Derartige Transaktionen führen jedoch zu einer Verzerrung des Index, welche als Downward Bias bezeichnet wird.

Wie sich ein Kurs- vom Performanceindex unterscheidet

Grundsätzlich werden zahlreiche Indizes in Ausprägung eines Kurs- sowie eines Performance-Index errechnet. Kursindizes beziehen ausschließlich die Kursveränderungen der Indexmitglieder in die Wertentwicklung ein. Bei Performanceindizes werden hingegen Dividenden oder Bezugsrechtserlöse aus Kapitalerhöhungen in die ausschüttende Aktie rechnerisch reinvestiert und verbessern daher die Entwicklung des Index. Der Dax wird in beiden Ausprägungen berechnet. Eine deutlich größere Aufmerksamkeit wird jedoch dem Performanceindex gewidmet, wohingegen es beispielsweise beim Euro Stoxx 50 genau umgekehrt ist.

Diversifikationsmöglichkeiten sind häufig begrenzt

Die beschriebenen technischen Merkmale sind bei der Wahl einer Indexinvestition zu berücksichtigen, wobei zuvor abgewogen werden sollte, in welche Region, Branche oder Volkswirtschaft investiert wird. Hier spielt auch die Diversifikation des Index eine Rolle: Der Dax umfasst zwar mittlerweile nicht mehr 30, sondern 40 Unternehmen, jedoch kann er aufgrund seines regionalen Bezugs auf die deutsche Volkswirtschaft nicht länderübergreifend diversifiziert sein. Ob sich die Bundesrepublik aktuell als Investmentfokus eignet, muss jeder Anleger für sich entscheiden.

Der US-Aktienmarkt dominiert die Welt

Ein Gegenbeispiel ist der MSCI World, der rund 1600 Unternehmen aus 23 Industrieländern umfasst und etwa 85 Prozent von deren Streubesitzmarktkapitalisierung abbildet. Die Indexbezeichnung lässt zunächst auf eine ausgewogene, überregionale Streuung schließen, die jedoch eingeschränkt werden muss. US-Unternehmen kommt eine Gewichtung von rund 70 Prozent des Index zu, gefolgt von Japan mit lediglich sechs Prozent. Den über 50 einbezogenen deutschen Unternehmen wird ein kumulierter Indexanteil von etwa zwei Prozent beigemessen.

Dieses Ungleichgewicht lässt sich jedoch nicht allein mit den Indexregeln begründen, sondern ist vielmehr auf die grundsätzlich höhere Kapitalisierung zahlreicher US-Unternehmen zurückzuführen, die einen Großteil des Restes der Welt nennenswert übersteigt. Ändern ließe sich ein derartiger Einfluss lediglich durch eine Maximalgewichtung einer Volkswirtschaft.

Auf Branchen bezogen zeigt sich ein etwas ausgewogeneres Bild: Die Gewichtungen variieren zwischen einem jeweils etwa dreiprozentigen Anteil von Immobilienunternehmen und Versorgern bis hin zu einer IT-Dominanz von gut 20 Prozent. Maximalgewichtungen von Branchen oder Ländern sucht man bei den meisten Indizes jedoch vergebens. Üblich sind indessen Kappungsgrenzen, welche die Gewichtung einzelner Unternehmen im Index häufig auf einen Wert von zehn Prozent beschränken.

Indizes als passive Vehikel im aktiven Portfoliomanagement

Um ein tatsächlich diversifiziertes Portfolio und ein geeignetes Risikomanagement zu ermöglichen, ist daher eine aktive Auswahl der Portfoliokomponenten ratsam. Zur Erschließung einer ausgewogenen Allokation eignen sich im aktiven Portfoliomanagement neben Einzelwerten auch ETFs, um Indizes gezielt zu berücksichtigen. Die Debatte, ob ein aktiver oder passiver Managementstil überlegen ist, erscheint grundsätzlich verfehlt, denn eine Kombination beider Techniken ist ratsam, um aus beiden Welten die besten Eigenschaften zu nutzen.

  • Dieser Artikel wurde geschrieben für Focus Online.

Über den Autor

Dr. Andreas Schyra

About the Author: Dr. Andreas Schyra

ist Mitglied des Vorstands der PVV AG und verantwortet das Portfoliomanagement sowie sämtliche Aufsichtsbereiche. Zudem doziert er in finanzwirtschaftlichen Studiengängen an der FOM Hochschule Essen, publiziert Beiträge zu aktuellen Fragestellungen des Finanzwesens und hält Fachseminare beim Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V.
Dr. Andreas Schyra

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