Fed im Zwiespalt – Wie die US-Notenbank Vertrauen verspielen könnte

Die US-Notenbank befindet sich im Dilemma zwischen Konjunktur und Inflation, sagt Vermögensverwalter Andreas Schyra. Welche Herausforderungen nun auf Fed-Chef Powell zukommen.

14. Oktober 2024

2,7 min.

Dr. Andreas Schyra

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Nachdem die Fed zuletzt ihren angekündigten Zinssenkungspfad beschritt und ihren Leitzins in sonst eher ungewohntem Ausmaß direkt um 50 Basispunkte (Bps) senkte, befindet sie sich nun in einem Dilemma: Den letzten Reden des Fed-Präsidenten, Jerome Powell, war durch die Blume zu entnehmen, dass es nicht bei diesem Schritt bleiben, sondern weitere Zinssenkungen folgen sollen. Auch der Umfang von 50 Bps schien keine Ausnahme zu bleiben.

Für die nächste Notenbanksitzung preisten die Märkte bereits ein identisches Vorgehen mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 60 Prozent ein. Eine Mehrheit der Marktteilnehmer ging bis zum Ende des Jahres 2024 von weiteren Verringerungen des Leitzinses aus, die auch im ersten Quartal 2025 fortgesetzt werden würden. Als Begründung wurde stets angeführt, dass der Fokus der Fed eindeutig auf der wirtschaftlichen Unterstützung der USA liege, denn die Zeiten erhöhter Inflationsraten schienen eingedämmt.

Können die USA einer Rezession entgehen?

In den letzten Tagen zeichneten die veröffentlichten Konjunkturdaten jedoch ein verändertes Bild: Nachdem die Arbeitslosenquote zwischenzeitlich etwas angestiegen war, wurden Anfang Oktober wieder rückläufige Quoten gemeldet. Die US-Beschäftigtenzahlen zeigen sich weiterhin sehr robust und befinden sich unverändert nahe der Vollbeschäftigung. Generell lassen die letzten Daten wieder eine sanfte oder ggf. gar keine Landung der US-Wirtschaft vermuten.
Im historischen Vergleich wären ein derart positives Szenario und die Vermeidung einer Rezession zwar äußerst unwahrscheinlich, jedoch nicht ausgeschlossen. Folglich wären weitere Stützungsmaßnahmen der Notenbank und insbesondere ein schnelles und sehr dynamisches Absenken des Leitzinses gar nicht nötig und auch nicht ratsam.

Inflationsraten als weiteres Wagnis

Zudem bleibt abzuwarten, wie sich die Preissteigerungsraten in den USA weiter entwickeln. Diese haben sich zwar deutlich von ihren Höchstständen entfernt. Es wird jedoch mit Spannung zu beobachten sein, wie die weiteren Entwicklungen ausfallen, die maßgeblich durch die sich ausweitenden Konflikte im Nahen-Osten und ggf. weiter ansteigende Öl-Preise beeinträchtigt werden können.

Glaubwürdigkeit der Fed bleibt entscheidend

Sollte die US-Wirtschaft ihre Widerstandsfähigkeit aufrechterhalten und zugleich eine wiederaufkeimende Inflation Einzug erhalten, würden die Kapitalmärkte die Zinssenkung der Fed aus September 2024 im Nachgang deutlich kritischer bewerten. Im Extremfall würde der Fed eine Fehlinterpretation angelastet, da ihre Prognosen, auf deren Grundlage sie einen derartigen Schritt vollzog, scheinbar falsch waren. Eine derartige Auslegung des Notenbankverhaltens hätte fatale Wirkung, denn die Glaubwürdigkeit – als wichtigstes Attribut einer Zentralbank – würde merklich angekratzt.

Zinssenkungen waren im US-Wahlkampf eher unüblich

Es bleibt daher mit viel Ungewissheit behaftet, wie die weiteren Konjunkturdaten in den USA ausfallen und wie die Fed darauf im Wording sowie mit weiteren Zinsmaßnahmen reagiert. Insbesondere in Zeiten des US-Präsidentschaftswahlkampfes sind Zinsänderungen der Notenbank eher unüblich, da es die Prämisse der Fed ist, sich politisch neutral zu positionieren. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob sich der Mut von Herrn Powell und den weiteren Mitgliedern des Federal Open Market Committee (FOMC) auszahlt, oder ob ihre Entscheidung auf falschen Auslegungen der zukünftigen Rahmenbedingungen basierten.

  • Dieser Artikel wurde geschrieben für Das Investment.

Über den Autor

Dr. Andreas Schyra

About the Author: Dr. Andreas Schyra

ist Mitglied des Vorstands der PVV AG und verantwortet das Portfoliomanagement sowie sämtliche Aufsichtsbereiche. Zudem doziert er in finanzwirtschaftlichen Studiengängen an der FOM Hochschule Essen, publiziert Beiträge zu aktuellen Fragestellungen des Finanzwesens und hält Fachseminare beim Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V.
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