Fed-Zinsentscheidungen 2024: Zwischen Erwartungen und politischem Druck

Der Rückgang der Inflation unter das Notenbankzinsniveau eröffnet Fed und EZB (weiteren) Spielraum für Zinssenkungen. In unserer aktuellen PVV-Kolumne gehen wir darauf ein, welche die entscheidenden Faktoren für die zukünftige Notenbankpolitik sein sollten.

23. August 2024

3,4 min.

Dr. Andreas Schyra

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Im vierten Quartal 2023 überschlugen sich die Erwartungshaltungen der Investoren in Bezug auf die Anzahl der im Jahr 2024 zu erwartenden Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und insbesondere der US-amerikanischen Federal Reserve (Fed). Vergleichsweise zurückhaltende Marktteilnehmer gingen von vier Zinssenkungen zu je 25 Basispunkten aus, wohingegen progressivere Erwartungen (oder eher Hoffnungen) von bis zu acht Zinsschritten gen Süden ausgingen.

Weniger Zinssenkungen als im Januar erwartet waren

m August des Jahres 2024 sind wir mittlerweile etwas schlauer und wissen, dass das laufende Jahr in den USA bisher noch gar keine Zinssenkung mit sich brachte. Seit nunmehr gut einem Jahr liegt der US-Leitzins auf dem Niveau von 5,25 bis 5,5 Prozent. Auf Eurozonenebene kamen die Währungshüter den Kapitalmarktteilnehmern zumindest mit einem ersten Zinsschritt auf mittlerweile 4,25 Prozent entgegen.

Nachdem zwischenzeitlich deutliche Ernüchterung hinsichtlich der erhofften Zinssenkungen einkehrte, welche die Aktienmärkte – entgegen der Theorie – mit weitern Kurssteigerungen auf breiter Ebene verarbeiteten, sprießen die Annahmen zukünftiger, negativer Zinsschritte mittlerweile erneut in die Höhe. Für die September-, November- und Dezembersitzungen der Fed wird mittlerweile wieder von Leitzinssenkungen zwischen jeweils 25 und 50 Basispunkte ausgegangen.

US-Notenbank verhielt sich in Wahljahren bisher immer zurückhaltend

In der Historie waren derartige Notenbankentscheidungen im zeitlichen Zusammenhang mit einer US-Präsidentschaftswahl eher ungewöhnlich, um deren politische Unabhängigkeit zu wahren und dem Vorwurf einer Einmischung in den Wahlkampf zu entgehen. Nachdem sich der republikanische Präsidentschaftskandidat Trump direkt an den Fed-Präsidenten Powell wandte und ihn öffentlich davor warnte, die Zinsen zu senken, ist diesbezüglich ein neues, unwürdiges Kapitel des Trumpismus eröffnet.

Zwei schwache Börsentage führen zu kurzfristiger Panik

Nachdem die Kurse der bedeutendsten Aktien und Aktienindizes am 2. und 5. August lange nicht gesehene Ausmaße an Verlusten aufwiesen, wurde von einigen Investoren gar eine Ad-hoc-Intervention der Notenbanken gefordert, um die US-Wirtschaft zu stützen und vor einer möglichen Rezession zu bewahren.

Es mutet erschreckend an, wie panisch und kurzfristig orientiert diese Anleger am Kapitalmarkt agieren. Im Laufe der folgenden Handelstage wurden die zwischenzeitlichen Kursverluste durch eine Gegenbewegung wieder ausgeglichen und zahlreiche Indizes beendeten die Woche sogar mit grünen Vorzeichen, obwohl die Notenbank, vollkommen berechtigt, nicht eingriffen.

Man fühlt sich bewogen mancher Forderung von Notenbankinterventionen bei derartigen Ereignissen entgegenzuhalten, sie sollten „die Kirche im Dorf lassen“ und Ruhe bewahren. Panik und Entsetzen haben an der Börse noch niemandem geholfen und das wird auch zukünftig so bleiben. Die Ereignisse des 2. und 5. August reichten bei weitem nicht aus, kurzfristige Notenbankeingriffe zu rechtfertigen – derartige Maßnahmen sollten eindeutig größeren Herausforderungen vorbehalten bleiben, um nicht inflationär anzumuten.

Wirtschaftliche Dynamik schwindet und lässt Raum für Zinssenkungen

Volkswirtschaftlich betrachtet ist zu erkennen, dass sich die Wachstumsdynamik in den USA und anderen Regionen der Welt – insbesondere Deutschland – abschwächt. Die Inflationsraten sind bereits nennenswert gesunken und befinden sich unter dem Niveau der Notenbankzinsen. In den USA liegt die Teuerungsrate mittlerweile auf Jahresebene bei 2,9 Prozent und somit nennenswert unter dem Notenbankzins. Der frühere Vorwurf, die Notenbanken kämen mit Ihren Leitzinsen nicht vor die Inflationskurve, hat sich somit als falsch erwiesen.

Mittlerweile bietet sich sowohl Fed als auch EZB Spielraum für erste beziehungsweise weitere Zinssenkungen, welche jedoch nicht abhängig von kurzfristigen Börsenbewegungen sein dürfen, sondern volkswirtschaftlich gerechtfertigt sein müssen. Diesbezüglich gilt weiterhin der Slogan „don’t fight the Fed“. Für Notenbanker und Investoren wäre es jedoch wünschenswert nach vielen Jahren endlich wieder zu einem normalen Wirtschaftszyklus zurückzukehren, welcher über Jahre der Null- beziehungsweise Negativzinsen und überbordender Liquiditätsbereitstellungen quasi ausgehebelt wurde.

Die mittelfristige Zukunft bietet genau diese Chance, einen gerechtfertigten Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten und Notenbankmaßnahmen in den USA und der Eurozone wiederherzustellen. Dies setzt jedoch voraus, dass der oder die zukünftige US-Präsident/in die Notenbank politisch unabhängig agieren lässt – was auch im Interesse der Kapitalmarktteilnehmer sein sollte.

  • Dieser Artikel wurde geschrieben für Das Investment.

Über den Autor

Dr. Andreas Schyra

About the Author: Dr. Andreas Schyra

ist Mitglied des Vorstands der PVV AG und verantwortet das Portfoliomanagement sowie sämtliche Aufsichtsbereiche. Zudem doziert er in finanzwirtschaftlichen Studiengängen an der FOM Hochschule Essen, publiziert Beiträge zu aktuellen Fragestellungen des Finanzwesens und hält Fachseminare beim Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V.
Dr. Andreas Schyra

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