Hellt sich die Anleihe-Situation auf? Investoren diskutieren ihre Fixed-Income-Allokation
Zwar bieten Anleihen mittlerweile wieder eine positive Verzinsung, eine positive Realrendite ist jedoch noch in weiter Ferne. Im folgenden Fundview-Beitrag schildern wir, wie unsere aktuelle Anleihe-Allokation geprägt ist und von welcher Erwartungshaltung wir ausgehen.
Foto: PVV AG
Anleihen bieten derzeit wieder Zinsen und die positive Korrelation zu Aktien nimmt ab. Eignen sich Anleihen also nun wieder zur Diversifikation im Portfolio oder ist Vorsicht geboten? Andreas Schyra von PVV, Alexander Kintea von der Otto M. Schröder Bank, Maik Bolsmann von B&K Vermögen und Stefan Kirchner von HONESTAS Finanzmanagement diskutieren, wie sie sich im Anleihe-Segment aufgestellt haben und ob es in den vergangenen Monaten Anpassungen in der Allokation gab.
Das Ende der Sauregurkenzeit – Dr. Andreas Schyra, Mitglied des Vorstands der PVV AG
Die Zinsanhebungen der Notenbanken in den letzten Monaten führten dazu, dass Anleihen ihre Zins- und Renditetiefstände weit hinter sich gelassen haben. Zahlreiche Investoren, die Ausschüttungen zur Sicherstellung regelmäßiger Erträge benötigen, können nun also erstmal aufatmen. Die Sauregurkenzeit mit Null- und Negativrenditen der letzten Jahre hat ein Ende und beispielsweise Stiftungen können die wiedergewonnenen ausschüttungsfähigen Erträge zur Erfüllung ihrer Stiftungszwecke nutzen.
Doch trotz der aktuellen Herausforderungen der Bankenlandschaft ist das Ende der Zinssteigerungen der Notenbanken und der Märkte noch nicht gekommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Kurse von Anleihen mit mittleren und längeren Laufzeiten in den nächsten Wochen und Monaten weiterem Druck ausgesetzt sind. Wer sich die aktuellen Renditen bereits heute für eine längere Zeit sichern möchte und daher Anleihen mit entsprechenden Laufzeiten erwirbt, wird zwischenzeitlich nennenswerten Kursverlusten ausgesetzt sein. Zudem gleichen auch die Renditen längerer Bonds den aktuellen Kaufkraftverlust nicht aus, sondern rentieren noch deutlich unterhalb der Inflationsraten. Wann positive Realrenditen von Anleihen guter Bonität zu erwarten sind, ist derzeit noch nicht absehbar.
Daher und insbesondere auch aufgrund der inversen Zinsstrukturen, die in zahlreichen Regionen der Welt vorherrschen, halten wir kürzere Laufzeiten für attraktiver und risikoärmer als langelaufende Bonds. Anleihen mit längeren Laufzeiten haben wir in den von uns betreuten Portfolios bereits deutlich vor den Zinssteigerungen veräußert. Zu Gunsten der Risikoverringerung haben wir mit diesen Umschichtungen freiwillig auf einen gewissen Anteil an Rendite verzichtet, jedoch war der Zeitpunkt und das Ausmaß der Zinssteigerungen nicht absehbar und wir wollten unsere Kunden und die uns anvertrauten Vermögenswerte diesem unkalkulierbaren Risiko nicht aussetzen.
Soweit wir Anleihen mit längeren Laufzeiten berücksichtigen, erfolgt dies ausschließlich unter der Voraussetzung einer variablen Verzinsung. Leider ist die Anzahl am Markt verfügbarer Floater von Emittenten außerhalb der Bankenlandschaft jedoch deutlich geringer als die von Anleihen mit fixem Zinskupon.
Kurze Duration ist Trumpf – Alexander Kintea, Leiter institutionelle Kunden bei der Otto M. Schröder Bank AG
Es fällt schwer angesichts von Rekordstaatsausgaben, Rekordstaatsverschuldung und Rekordgeldmengen für Anleihen Begeisterung zu entwickeln. Im Resultat muss die Inflation hoch bleiben, weil Inflation ein vorwiegend monetäres Problem ist. So jedenfalls ist die vorherrschende wissenschaftliche Meinung. Es gibt Schätzungen, die von einem Geldmengenüberhang von 80 Prozent ausgehen, der erwartbar über Inflation aufgelöst werden müsste. Das kann zum Beispiel bei einer Inflationsrate von über fünf Prozent über 15 Jahre geschehen. So ein Szenario haben die Anleihemärkte aktuell allerdings noch nicht ausreichend diskontiert.
Es gibt aber immer auch taktische Gegenbewegungen zu den langfristigen Markttrends. In so einer könnten wir uns derzeit befinden. Immerhin sind die Renditen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen von -0,45 Prozent Anfang 2022 bis auf +2,75 Prozent im März 2023 relativ gesehen stark gestiegen. Wenn nun die gestiegenen Zinsen jedoch ihren Effekt in der Realwirtschaft zeigen und die Volkswirtschaften der USA und Europa sich abschwächten oder sogar in eine Rezession mündeten, wären wieder fallende Renditen wahrscheinlich.
Somit ist eine kurze Duration bei unserer Anleihe-Allokation Trumpf. Konkret setzen wir hier auf Laufzeiten von bis zu drei Jahren und gute bis sehr gute Anleihequalitäten. Ergänzt wird dies durch Floater oder inflationsindexierte Papiere. In geringerem Maße streuen wir Nachränge guter Qualität und, durch die stark gestiegenen Marktprämien, aktuell auch CAT-Bonds bei. Bankenpapiere werden von uns aktuell eher gemieden.
Grundsätzlich hat die bisherige Zinswende aber auch positive Effekte für manche Kundengruppen. Als hanseatische Privatbank betreuen wir unter anderem viele Stiftungen und Kirchen, die durch ihre konservativen Anlagestrategien traditionell signifikante Rentenpositionen allokieren. Hier sind auf der Zinsseite nun endlich wieder ausschüttungsfähige Erträge zu erwirtschaften. Auch wenn dies realzinsbereinigt noch immer zu einer Kaufkraftabschmelzung führt, so können vor allem kleinere Stiftungen wieder einfacher ihrem Stiftungszweck nachgehen.
Kapitalmarktumfeld ist unerheblich – Maik Bolsmann, Geschäftsführer B&K Vermögen GmbH
Wir haben unsere Anleihe-Allokation in den vergangenen Monaten den Entwicklungen angepasst und Einzelanleihen mit guter Bonität übergewichtet sowie High-Yield-Anleihen über Fonds beigemischt. Durch die Fondslösungen können die Investoren in dem risikobehafteten Segment der Hochzinsanleihen etwas weiter hinausschwimmen, da ein Ausfallrisiko einzelner Titel durch die Bündelung sehr vieler Emittenten in Relation weniger schmerzhaft ist.
Bei den Einzeltitel-Anlagen betrachten wir Anleihen mit guter Bonität nach den letzten Zinserhöhungen für den langfristig orientierten Anleger wieder als ein attraktives Investment. Die Renditen liegen hier in der Bandbreite zwischen 2,5 und fünf Prozent pro Jahr und es lohnt sich, genau hinzusehen und auszuwählen. Einjährige Bundesschatzanweisungen zum Beispiel rentieren bereits mit rund drei Prozent pro Jahr. Durch die Kombination von weiteren Anleihetiteln mit unterschiedlichen Laufzeiten erhalten unsere Kunden im Rahmen einer sogenannten Fälligkeitstaffel kontinuierliche Zinserträge, wobei auch Rendite und Risiko durch die Staffelung individuell ausbalanciert werden können. Dank der gestaffelten Endlaufzeiten der verschiedenen Titel stehen unseren Kunden die Entnahmebeträge an den vordefinierten Laufzeitenden auf Basis einer mit uns vorab definierten potenziellen Entnahmesumme rollierend zur Verfügung. Unerheblich ist zu dem Zeitpunkt das Kapitalmarktumfeld, da der jeweilige Schuldner der Anleihe bei Fälligkeit eine Rückzahlung zu 100 Prozent garantiert.
Sollte der Entnahmebetrag am Fälligkeitstag nicht benötigt werden, kann dieser reinvestiert werden, idealerweise mit einer Fälligkeit am hinteren Ende der aktuellen Staffelung. Bei vielen gemischten Portfolios ergeben sich auf diese Weise Gewichtungen zwischen 25 und 40 Prozent und demzufolge eine sehr gute Grundstabilität für das Gesamtportfolio. Eventuelle Schwankungen bei anderen Anlageformen, die im Portfolio enthalten sind, lassen sich damit ausgleichen. Der restliche Teil der Anlagesumme kann entsprechend dynamisch arbeiten.
Anlagevolumen nachhaltig vom Aktien- in das Bondsegment (zurück)verlagern – Stefan Kirchner, geschäftsführender Gesellschafter HONESTAS Finanzmanagement GmbH
Die zügigen und teilweise starken Zinsanhebungen der amerikanischen und europäischen Notenbank führten zu einem nun wieder attraktiven Renditeniveau bei festverzinslichen Wertpapieren. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Bestandsanleihen in den Depots der Investoren im letzten Jahr im Schnitt ähnliche Verluste erlitten, wie breite Aktieninvestments. Eine so hohe Korrelation ist ebenso selten wie die vergangene Phase der kräftigen Zinsschritte.
Für das verbleibende Jahr rechnen wir mit einer Fortsetzung der aktuell deutlich nachlassenden Wechselwirkung zwischen den Aktien- und Anleihemärkten. Die erzielbaren Renditen bei Investment-Grade-Anleihen liegen immer noch unterhalb der offiziellen Inflationsraten und somit kann allein mit dieser Anlageklasse kein Kaufkrafterhalt erzielt werden. Das Niveau ist jedoch inzwischen durchaus vergleichbar mit durchschnittlichen Dividendenrenditen im Aktienbereich.
Auch wenn eine Dividende selbstverständlich nicht eins zu eins mit einem Zinskupon von Anleihen vergleichbar ist, sollte sich ein spürbares Anlagevolumen nachhaltig vom Aktien- in das Bondsegment (zurück)verlagern. Das dürfte zumindest für die Investoren gelten, die unter der Parole der letzten Jahre mit Null- und Negativzins „Die Dividende ist der neue Zins“ seinerzeit den Tausch von Anleihen in Aktien vollzogen haben.
Im Segment der Indexfonds lässt sich bereits erkennen, dass sich die Mittelzuflüsse in Anleihe-ETFs jüngst deutlich erhöhten. Aufgrund des bisher nicht absehbaren Endes der Zinserhöhungen wurden bislang vorzugsweise Anleihen mit kurzen Laufzeiten in der Vermögensverwaltung eingesetzt. Bedingt durch die aktuelle Unsicherheit im Bankensektor, unter anderem durch die Insolvenz der Silicon Valley Bank in den USA, ist es wahrscheinlich, dass der Zinsanhebungszyklus nun früher als bisher erwartet in die Endphase geht.
In diesem Kontext wurden nun auch Anleihen mittlerer Laufzeit in die Portfolios aufgenommen. Mit attraktiven Fälligkeitsrenditen sichern wir damit für die Depots wieder eine Renditequelle. Ergänzt um weitere Investments, im Einklang mit der jeweiligen Anlagestrategie, ergeben sich für die Zukunft wieder stetig höhere Ertragsperspektiven.