Was die Strategieänderung der EZB bedeutet
Die EZB will künftig schneller und stärker reagieren, wenn die Inflation sich zu weit vom Zielwert entfernt. Andreas Schyra ordnet ein, was diese Strategieänderung bedeutet.

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Über die Zusammensetzung des sinnbildlichen Warenkorbes zur Berechnung der Preisentwicklung in der Eurozone kann vielschichtig diskutiert werden, denn kaum einem Haushalt wird dieses Warenbündel tatsächlich gerecht.
Das primäre Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist seit jeher die Preisniveaustabilität, welche anhand der Preisentwicklung eben dieses Warenkorbes bemessen wird. Während der letzten EZB-Ratssitzung wurde nach 2021 erneut eine Strategieänderung beschlossen. Folglich beabsichtigen die Währungshüter in der Eurozone zukünftig schneller und stärker zu reagieren, wenn sich das vorherrschende Preisniveau sowohl positiv als auch negativ vom mittelfristigen Zielwert, welcher bei zwei Prozent belassen wurde, entfernt.
Mangelnde Flexibilität als Grund für überschießende Inflation
Aus der aktuellen Maßnahme könnten Kritiker das Eingeständnis eines Fehlers der vorherigen Strategieveränderung ableiten. Schließlich lag die Preisniveauveränderung sowohl bemessen anhand der Inflationsrate als auch anhand der Kerninflation nennenswert über dem ausgerufenen Zielniveau. Kritiker könnten schlussfolgern, dass ein derartiges Überschießen des Preisniveaus auf mangelnde Handlungsfähigkeit der Währungshüter zurückzuführen gewesen sei.
Ein Nachweis dessen wird nie beizubringen sein und ein pauschales Urteil zu fällen, nachdem die Maßnahmen nicht wie gewünscht griffen, ist immer einfach. Mittlerweile ist die Preisniveauveränderung wieder auf dem EZB-Ziel angekommen, obwohl das Maßnahmenbündel der EZB bis zur letzten Ratssitzung zunächst unverändert blieb.
Neue Handlungsoptionen sollen Preisniveau festigen
Fortan sollen die Schnelligkeit sowie das Ausmaß der Zinserhöhungen bzw. -senkungen ausgeweitet werden, um auch auf kleinere Preisveränderungen dynamischer reagieren zu können. Dies soll dazu beitragen, sich mittel- bis langfristig verfestigende Abweichungen vom Zielniveau zu vermeiden.
Die Ankündigung legt eine neuerliche Erwartungshaltung nahe, welche besagt, dass zunehmend volatilere globale volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen zu häufigeren und größeren Zinsschritten führen können. Derartige Volatilitätsanstiege zeigten sich in den letzten Monaten sehr anschaulich beispielsweise anhand der Auswirkungen der Zollpolitik von US-Präsident Trump und der geopolitischen Herausforderungen insbesondere im Nahen Osten.
Politik der „ruhigen Hand“ ist häufig ratsamer
Fraglich bleibt, ob eine Beschleunigung und Ausweitung des Ausmaßes von Zinsschritten tatsächlich zu einer stabileren Preisniveauentwicklung auf dem Zielniveau führen. Umgangssprachlich ist weniger häufig insbesondere mittel- bis langfristig eben doch mehr. Übertragen auf Entscheidungen und Umsetzungen im Portfoliomanagement haben die letzten Monate ganz deutlich bewiesen, dass eine „ruhige Hand“ häufig zu einem überlegenen Ergebnis führt, als zu versuchen auf unzählige positive wie negative Nachrichten zu reagieren.
Im Portfoliomanagement besteht durchgängig die Möglichkeit auf Kapitalmarktereignisse zu reagieren oder die Depotpositionen auf prognostizierte Marktbewegungen auszurichten. Das Spektrum der EZB ist jedoch deutlich eingeschränkter, denn Ratssitzungen mit optionalen Zinsentscheidungen finden lediglich alle sechs Wochen statt. Somit sollte ausgeschlossen sein, dass die Ratsmitglieder in Hektik verfallen und voreilig agieren.
Es ist daher fraglich, ob die Strategieänderung tatsächlich einen nennenswerten Einfluss auf zukünftige Zinsentwicklungen haben wird. Rein theoretisch haben sich die Handlungsmöglichkeiten der Zentralbank erhöht, ob diese jedoch in der Praxis auch derart flexibler als in der Historie gelebt werden, bleibt zunächst offen. Sich zusätzliche Optionen zu verschaffen, ist grundsätzlich als positiv zu bewerten. Die finale Bewertung hängt jedoch davon ab, ob diese im Nachgang auch ausgewogen eingesetzt werden.
