Weshalb sich die KI-Wertschöpfungskette langfristig verschieben könnte

Der Markteintritt des chinesischen KI-Startups Deepseek hat die US-Techbranche stark erschüttert. Andreas Schyra erläutert, warum KI trotzdem weiterhin ein Wachstumsmarkt bleibt.

05. Februar 2025

3 min.

Dr. Andreas Schyra

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Deepseek R1, ein fortschrittlicher KI-Chatbot, wurde in nur zwei Monaten für etwa 5,6 Millionen US-Dollar entwickelt, während US-Firmen wie Open AI zuvor über 100 Millionen US-Dollar für ähnliche Projekte ausgeben. Diese kosteneffiziente Entwicklung wirft Fragen zur Nachhaltigkeit der teuren KI-Strategien amerikanischer Unternehmen auf.

Historischer Einbruch der Marktkapitalisierung

Die Veröffentlichung von Deepseek R1 führte zu einem dynamischen Ausverkauf an den Börsen, wobei Nvidia an einem Tag fast 18 Prozent seines Wertes verlor, was zu einem Verlust von 589 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung führte. Auch andere Technologieunternehmen wie Broadcom, Microsoft und Amazon erlitten erhebliche Kursverluste. Insgesamt wurde an einem Tag über eine Billion US-Dollar an Wert von US-Technologieaktien vernichtet.

Deutliche Kostenverringerung zur Entwicklung von KI-Tools

Deepseek hat sein KI-Modell als Open Source veröffentlicht, was die Effizienz bestehender Modelle in Frage stellt. Investoren befürchten, dass derartige kostengünstige Modelle die Nachfrage nach teurer KI-Infrastruktur und High-End-Chips mittel- bis langfristig nennenswert verringern könnten. Zudem baut da Unternehmen auf weniger leistungsfähiger Hardware auf, was dazu führen könnte, die US-Exportkontrollen für Hochleistungschips zu unterlaufen. Dies verstärkt die Sorgen, dass die USA ihre technologische Vormachtstellung verlieren, während China trotz Sanktionen in der Lage sei, konkurrenzfähige KI-Systeme zu entwickeln.

US-amerikanische China-Politik wird in Frage gestellt

Die plötzlichen Kursverluste haben Bedenken über eine mögliche Aktienblase im Technologiesektor geweckt. Investoren fragen sich, ob die hohen Bewertungen gerechtfertigt sind und ob sich die Investitionen in KI langfristig auszahlen werden. Der Erfolg von Deepseek könnte einen Paradigmenwechsel hin zu kosteneffizienteren Ansätzen einleiten und zeigt Schwächen in der US-Strategie zur Eindämmung des chinesischen technologischen Fortschritts auf.

Microsoft äußerte sich bereits positiv zu Deepseek und sieht darin eine vielversprechende Entwicklung. CEO Satya Nadella bezeichnete das Modell als „super beeindruckend“ und sieht langfristige Chancen, da die Nachfrage nach KI auch die Arbeit für Nvidias Grafikprozessoren steigern könnte.

Wachstumspotenziale von KI-Tools werden weiterwachsen

Langfristig könnte sich die KI-Wertschöpfungskette von der Infrastruktur hin zu Anwendungen verschieben. Trotz der aktuellen Marktturbulenzen bleibt KI ein Wachstumsmarkt. Der Erfolg von Deepseek zeigt die Bedeutung von Effizienz- und Kostenvorteilen in der KI-Entwicklung und könnte die weltweite KI-Evolution beschleunigen. Investitionen in diesem Bereich sollten gut überlegt und diversifiziert sein, da die Innovationszyklen kurz und die Konkurrenz groß sind. Eine langfristige Perspektive, die sowohl etablierte Anbieter als auch aufstrebende Unternehmen einbezieht, ist ratsam, während sich die globale KI-Landschaft neu ordnet.

Zensur und Datenschutz als Herausforderungen

Bisherige Analysen des chinesischen Tools lassen darauf schließen, dass zahlreiche Herausforderungen bestehen, welche westliche Unternehmen von einer ernsthaften Anwendung von Deepseek abschrecken. Einerseits sind datenschutzrechtliche Fragestellungen beziehungsweise die Weiterleitung von Prompts an die Entwickler mit großer Unsicherheit behaftet und andererseits scheint auch hier eine Zensur zu greifen, denn auf china-kritische Fragen werden keine beziehungsweise keine sinnhaften Antworten gegeben.

Auch an der Börse gilt: Es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird

Der erste Börsenschreck war nach den deutlichen Kursverlusten schnell wieder verdaut und die Überreaktion wurde nach eingehender Analyse auch realistischer verarbeitet. Wie so häufig im Leben lohnt sich ein zweiter Blick um die Dinge einzuordnen. Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Luft für manche Börsenbewertung dünner zu werden scheint und neue technologische Entwicklungen nicht ausschließlich in den USA beheimatet sind.

  • Dieser Artikel wurde geschrieben für Das Investment.

Über den Autor

Dr. Andreas Schyra

About the Author: Dr. Andreas Schyra

ist Mitglied des Vorstands der PVV AG und verantwortet das Portfoliomanagement sowie sämtliche Aufsichtsbereiche. Zudem doziert er in finanzwirtschaftlichen Studiengängen an der FOM Hochschule Essen, publiziert Beiträge zu aktuellen Fragestellungen des Finanzwesens und hält Fachseminare beim Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V.
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