PVV-Vorstand über Ukraine-Reise: „Wir haben nur noch Militärtransporter gesehen“

Andreas Schyra, Vorstandsmitglied des Top-50-Vermögensverwalters PVV, brachte gemeinsam mit Freunden und Familie gesammelte Hilfsgüter im Wert von €200.000 in die Ukraine. Im Interview schildert er die Erlebnisse dieser emotionalen Reise.

31. März 2022

4,9 min.

Julian Kampmann

Foto: PVV AG

Nachdem der Vermögensverwalter PVV Anfang des Monats einen Spendenaufruf für die Ukraine gestartet hatte, fuhr Vorstandmitglied Andreas Schyra jetzt mit Freunden und Familie in die Ukraine, um die gespendeten Hilfsgüter abzugeben. Im Gespräch mit Citywire Deutschland erzählt er, was er auf der Fahrt erlebt hat und wie es mit den Hilfslieferungen weitergehen wird.

Herr Schyra, als wir zuletzt telefoniert haben, waren Sie noch mit dem Sortieren von Spenden beschäftigt. Wie ist es Ihnen in den Tagen vor der Abreise ergangen?

Eigentlich kann man sagen, dass sich von Tag zu Tag die Ereignisse überschlagen haben. Unsere Hilfsaktion wurde auf der Webseite eines regionalen Radiosenders veröffentlicht. Daraufhin haben wir sehr viele Spenden erhalten, damit hätten wir im Leben nicht gerechnet. Ursprünglich wollten wir nur mit einem Transporter fahren. Nachdem aber unser Keller sehr schnell voll wurde, war klar, dass wir mit mehreren Fahrzeugen fahren können. Ruckzuck waren dann auch Transporter zwei, drei und vier voll. Unser Büro sah in der Zwischenzeit aus, das wollen Sie sich nicht vorstellen. Da herrschte teilweise Chaos. Unsere Büroräume, der große Meetingraum sowie der Keller waren voll mit gespendeten Gütern. Alle Kollegen haben wahnsinnig mitgezogen und gepackt, Kartons verklebt sowie in englischer, polnischer und ukrainischer Sprache beschriftet. Insgesamt hatten wir Sach- und Geldspenden im Wert von weit über €200.000, die verpackt werden mussten. Darunter Verbandsmaterial, aber auch Stromgeneratoren.

Nach dem Packen und Sortieren ging es dann am Sonntag, dem 13. März, los. Wie ist die Reise verlaufen?

Am Sonntag in der Früh sind wir mit vier Transportern erst mal in Richtung Polen nach Krakau gefahren. Neben Freunden und dem Patenonkel meiner kleineren Tochter sind auch mein Schwiegervater sowie der Mann unserer Kindergärtnerin mitgefahren. Darüber hinaus hat das Logistikunternehmen meta4Log zwei Transporter mit Fahrern zur Verfügung gestellt. Auf der Fahrt sind uns Unmengen an Bussen mit Geflüchteten entgegengekommen. In Krakau sind wir abends ohne Zwischenfälle angekommen. Im Laufe des Tages sollte sich allerdings herausstellen, dass wir nicht wie geplant am Montag über die ukrainische Grenze fahren konnten, sondern um einen Tag verlängern mussten. Unsere kooperierende Hilfsorganisation musste an dem Tag einen Rettungswagen aus Berlin in die Ukraine überführen. Am Dienstag sind wir schließlich Richtung Lviv zur Grenzübergangsstelle Korczowa-Krakowez gefahren.

Auf der Fahrt wurde uns etwas mulmig, weil wir die letzten 100 Kilometer vor dem Grenzübergang in die Ukraine keine zivilen Fahrzeuge, sondern nur noch Militärtransporter gesehen haben. An der Grenze hatten wir die nächste Herausforderung zu bewältigen: nur zwei unserer vier Transporter durften die EU verlassen. Wir haben uns zu viert auf die zwei Transporter aufgeteilt und sind losgefahren. Es hat zwar alles sehr lange gedauert, aber ich hatte mir den Grenzübertritt deutlich chaotischer vorgestellt. Die polnischen Grenzkontrolleure haben uns daraufhin eher oberflächlich durchsucht – die wussten, wofür wir da waren. Nach dem polnischen Grenzübergang sind wir dann durch eine Art Niemandsland gefahren. Am ukrainischen Grenzübergang wurden wir von einem schwer bewaffneten und deutlich nervöseren Grenzbeamten durchsucht. Kurz hinter der Grenze haben wir uns mit unseren Abnehmern auf einem riesengroßen Parkplatz getroffen, der aber eher die Qualität eines Ackers hatte. Innerhalb von wenigen Minuten haben wir mithilfe der Ukraine-Hilfe-Berlin die beiden Transporter ausgeräumt. Die Helfer von der Ukraine-Hilfe-Berlin haben sich dann um die Verteilung der Hilfsgüter innerhalb der Ukraine gekümmert. Anschließend haben wir uns auf den Rückweg gemacht, um die gleiche Strecke nochmal mit den beiden verbliebenen Transportern zu absolvieren. Das waren vielleicht 4 bis 5 Kilometer. Trotzdem waren wir erst nach 16 Stunden wieder auf dem Rückweg nach Krakau. Auf der kurzen Strecke begegnet man vielen Schicksalen. Geflüchtete aus allen Teilen der Ukraine, ob zu Fuß oder in Bussen, überqueren die Grenze nach Polen. Das live zu sehen und mit den Leuten in Kontakt zu treten, löst schon besondere Emotionen in einem aus.

Haben Sie noch weitere Fahrten geplant?

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass unser Kontaktmann in der Ukraine seine Familie in Sicherheit bringen muss. Aus diesem Grund werden wir am 3. April 2022 noch einmal eine Hilfslieferung in die Ukraine bringen und seine Familie mit drei Kindern auf dem Rückweg mit nach Essen nehmen. Hier konnten wir bereits mehrere Familien in privaten Wohnungen unterbringen und auch für die Familie unseres ukrainischen Kontaktes haben wir bereits eine Wohnung hergerichtet.

Wie ist das, mit Ihren gesammelten Eindrücken der letzten Wochen wieder in den Berufsalltag zurückzukehren?

Aufgrund der Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt war es herausfordernd. Trotz der Hilfsaktion durfte unser operatives Geschäft und die Verantwortung gegenüber unseren Kunden nicht leiden. Die Organisation der zweiten Hilfslieferung haben wir überwiegend mit Freunden und Familie abends und am Wochenende bewerkstelligt. Im Berufsalltag ist unser Fokus ausschließlich auf den Kapitalmarkt gerichtet. Die Schwankungsbreite wird da sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten extrem hoch sein. Höher als das, was wir sonst aus den letzten Monaten kennen. Ich glaube, die finalen Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaft, auf Verbraucherpreise und Rohstoffpreise werden wir erst noch sehen.

Nehmen Sie noch Spenden an?

Mit Sachspenden sind wir eher zurückhaltend. Für die zweite Tour werden wir alle Sachspenden mitnehmen, die von unserer ersten Hilfslieferung übergeblieben sind. Bei den Wetterentwicklungen hier, aber auch vor Ort in der Ukraine hilft es den Familien natürlich wenig, wenn dann Schneeanzüge oder Winterjacken verteilt werden. Insoweit sind wir beim Sammeln von Kleiderspenden sehr zurückhaltend. Aber wir waren gestern schon wieder unterwegs und haben zwei Familien mit Decken, Kinderkleidung, Drogerieartikeln und Lebensmitteln ausgestattet.

  • Dieser Artikel wurde geschrieben für CityWire.

Über den Autor

Julian Kampmann

About the Author: Julian Kampmann

ist Vermögensbetreuer und Experte für Digitale Assets. Einer der Schwerpunkte seiner Arbeit liegt in der Entwicklung und Umsetzung von Portfolio-Strategien mit Bezug auf Kryptowährungen.
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